Wie schaut es mit der Arbeitszeit aus?
Leider nicht gut. Der Antrag ändert gar nichts daran: Der Arbeitgeber kann jederzeit legal Überstunden bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich anordnen. Schwierig, da noch Familienleben und Freizeit zu planen. Und wer zu oft überlang arbeitet, schädigt mit der Zeit seine Gesundheit.
Wie schaut es mit der Freiwilligkeit aus?
Nicht gut genug. Der Abänderungsantrag sieht vor: Überstunden über die 10. Tagesstunde oder die 50. Wochenstunde hinaus können ohne Begründung abgelehnt werden. Das ist zwar besser als die Ursprungsvariante. „Freiwilligkeit“ ist in der Arbeitswelt aber relativ. Die Beschäftigten sind auf Einkommen und gutes Betriebsklima angewiesen. Sie kommen schnell unter Druck, wenn sie gegenüber Vorgesetzten und KollegInnen auf ihr Ablehnungsrecht pochen, riskieren ihre Beliebtheit, die nächste Beförderung oder gar den Job. Denn nun sind sie nicht mehr automatisch geschützt durch die 10-Stunden-Grenze täglich und die 50 Stunden-Grenze wöchentlich.
Wie schaut es mit der 4-Tage-Woche aus?
Einen Anspruch auf eine 4-Tage-Woche als Ausgleich für angeordnete 12-Stunden-Tage – das wünschen sich viele. Im Abänderungsantrag sucht man vergeblich danach. Die jetzt geschaffene Möglichkeit, sich für Mehrarbeit zwischen Geld und Zeitausgleich als Abgeltungsform zu entscheiden, ändert da gar nichts daran. Denn es sagt nichts darüber aus, ob man sich den Zeitausgleich zusammenhängend in Form von ganzen Tagen nehmen kann. Oder wann konkret man ihn nehmen kann. Hier sind die ArbeitnehmerInnen weiterhin von der Zustimmung der ArbeitgeberInnen abhängig. Erst ein halbes Jahr später, wenn noch immer keine Vereinbarung über den Zeitausgleichskonsum zustande gekommen ist, können sich die Beschäftigten mit 4-wöchiger Vorankündigung einseitig Zeitausgleich nehmen. Wenn sie sich trauen…
Wie schaut es mit der Einbindung des Betriebsrats aus?
Betriebsräte werden um ihr Zustimmungsrecht zu Überstunden bis zum 12 Stunden-Tag/zur 60 Stunden-Woche gebracht – und damit um die Möglichkeit, eine bessere Abgeltung, geblockten Zeitausgleich und Ähnliches für die ArbeitnehmerInnen herauszuverhandeln.
Es ist einmalig in der Zweiten Republik, dass der Gesetzgeber den Betriebsräten ein von der Arbeitsverfassung gewährtes Mitbestimmungsrecht streicht. Die betriebliche Sozialpartnerschaft ist ein österreichisches Erfolgsmodell. Es wird von Belegschaften genauso geschätzt wird wie von klugen Arbeitgebern, die in den Betriebsräten Ansprechpartner haben, über die strukturiert und planvoll mit den MitarbeiterInnen kommuniziert und verhandelt werden kann. Diese österreichische Stärke gehört ausgebaut, nicht beschädigt.
Wie schaut es mit Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe aus?
Schlecht! Derzeit kann durch Kollektivvertrag für Beschäftigte im Hotel- und Gastgewerbe in Saisonbetrieben (!) die tägliche Ruhezeit auf 8 Stunden gekürzt werden, um auf diese Weise Freizeitblöcke zu erzeugen, die insbesondere am Ende der Saison konsumiert werden und so die Phase der Saisonarbeitslosigkeit verkürzen. Die ArbeitnehmerInnen wohnen in diesen Fällen im oder sehr nahe dem Betrieb, sind oft fern von ihrem Heimatort und können damit in vielen Fällen mit der vom Kollektivvertrag garantierten geblockten Freizeitphase mehr anfangen als mit den regulären täglichen Ruhezeiten.
Der Gesetzesentwurf ermöglicht nun die Ruhezeitverkürzung auf 8 Stunden auch im ganzjährigen Tourismus – ohne jeden kollektivvertraglichen Schutz durch entsprechende Diensteinteilung oder einseitige Überstundenanordnung. Voraussetzung ist ein geteilter Dienst.
Das kann etwa für KellnerInnen in Wien, Graz, Salzburg oder Innsbruck bedeuten: 8 Uhr Arbeitsbeginn mit dem Servieren des Frühstücks, übergehend in das Service zu Mittag, dann ein paar Stunden Freizeit (was tun damit – den vielleicht langen Weg nach Hause und wieder zurück fahren?), Service am Abend und an der Hotelbar bis Mitternacht, dann die 8-stündige Ruhezeit: vielleicht eine Stunde heimfahren, Körperpflege, ein paar Stunden schlafen, aufstehen, duschen und wieder eine Stunde in die Arbeit fahren … Freizeit? Familienleben? Vergiss es!
Der Tourismus klagt über Arbeitskräftemangel und will Personal bereits außerhalb der EU suchen. Anstatt die Arbeitsbedingungen in dieser für Österreich wichtigen Branche zu verbessern, werden sie so in Grund und Boden gefahren.
Wie schaut es mit Sonn- und Feiertagen aus?
Dort, wo es erforderlich ist, bestehen nach derzeitiger Gesetzeslage Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe (Gastronomie, Verkehr, Gesundheitsbetriebe, Kino, Theater und sonstige Freizeiteinrichtungen, Medien, Produktionsbetriebe, in denen aus technischen Gründen die Produktion nicht unterbrochen werden kann usw). Neue, notwendige Ausnahmen werden durch Verordnung des Sozialministeriums oder Kollektivvertrag eingeführt.
Für vier Sonn- oder Feiertage im Jahr soll der Arbeitgeber künftig auch ohne solche Notwendigkeit Ausnahmen von der Wochenend- oder Feiertagsruhe vereinbaren können, mit dem Betriebsrat oder, falls nicht vorhanden, mit jedem einzelnen Arbeitnehmer
Haben ArbeitnehmerInnen eine solche Vereinbarung etwa im Arbeitsvertrag unterschrieben, gilt die von den Regierungsparteien angekündigte „Freiwilligkeitsgarantie“ keineswegs: Nein sagen kann nur, wer „überwiegende persönliche Interessen“ gegenüber den betrieblichen Interessen geltend machen kann. Überwiegt das Interesse am geplanten Familienausflug, Städtetrip oder Sonntagsmesse-Besuch? Oder das Interesse des Arbeitgebers an der Sonntagsarbeit? Das muss der Arbeitnehmer auf eigenes Risiko beurteilen. Ist der Arbeitgeber anderer Ansicht und spricht wegen Arbeitsverweigerung die fristlose Entlassung aus, klären erst Monate oder Jahre später die Arbeitsgerichte, wer Recht hatte. Der Arbeitsplatz ist dann freilich längst weg …
Noch mehr Menschen ohne gesetzlichen Schutz bei Arbeitszeit
Unverändert bleiben auch nach dem Abänderungsantrag folgende Probleme der Gesetzesinitiative: Der Kreis von Menschen, die überhaupt keinen gesetzlichen Schutz bei der Arbeitszeit genießen – also nicht einmal die 12-stündige Begrenzung der Tagesarbeitszeit, Ansprüche auf Nachtruhe, freie Wochenenden und Feiertage – wird beträchtlich ausgedehnt. Das waren bisher nur „leitende Angestellte“ – im Wesentlichen die erste und zweite Managementebene.
In Zukunft sollen auch ArbeitnehmerInnen mit „maßgeblicher selbstständiger Entscheidungsbefugnis“ darunter fallen, deren Arbeitszeit „nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird“. Das sind ArbeitnehmerInnen, die wegen ihrer guten Spezialkenntnisse relativ selbstständig arbeiten und mit denen eine „Vertrauensarbeitszeit“ vereinbart wird. Nach dem Motto: „Teile dir deine Arbeit selbst ein, Hauptsache, du erledigst die aufgetragene große Arbeitsmenge zu unserer Zufriedenheit!“ Sie stehen künftig ohne jeden arbeitszeitgesetzlichen Schutz da. Sofern es der Kollektivvertrag nicht hergibt, besteht auch kein Anspruch auf Überstundenzuschläge!
Quelle: AK.portal